Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesverwaltungsgerichts, die in der Woche vom 23. - 29. August 2021 publiziert wurden.

  • Urteil vom 10. August 2021 (A-2587/2020): MWST 2011-2015; Zeitpunkt der Entstehung der Steuerforderung bei Gutscheinen (Wert- vs. Leistungsgutschein); Die Steuerpflichtige verkaufte u.a. sog. Leistungsgutscheine für eine bestimmte Aktivität an einem bestimmten Ort; nach Bezahlung Rechnung erhält der Kunde den Gutschein. Mit diesem kann er zu einem späteren Zeitpunkt die auf dem Gutschein bestimmte Aktivität an dem bestimmten Ort bei der Steuerpflichtigen beziehen. Streitig war, ob die ESTV zu Recht den Umsatz der Steuerpflichtigen aus erwiesenermassen verkauften, aber noch nicht eingelösten (und noch nicht verfallenen) Leistungsgutscheinen als Vorauszahlungen qualifizierte und deshalb in der Ermessenseinschätzung berücksichtigte. Eine Vorauszahlung bedingt das Vorliegen eines mehrwertsteuerliches Leistungsverhältnisses, inkl. namentlich die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der Leistung (aus Sicht des Leistungserbringers), was in casu der Fall ist. Die Ermessenseinschätzung der ESTV ist somit rechtmässig. Bezüglich des genauen Zeitpunkts der Entstehung der Steuerforderung hätte die ESTV dabei allerdings nicht auf den Zeitpunkt der eigentlichen Vorauszahlung abstellen dürfen sondern auf den leicht vorgelagerten Zeitpunkt der Ausstellung der "Vorauszahlungsrechnung"; von einer reformatio in peius wird aber abgesehen. Abweisung der Beschwerde.
  • Urteil vom 14. Juli 2021 (A-2479/2019): Verrechnungssteuer; faktische Liquidation; Die Feststellung des Vorliegens sowie die Festlegung des Zeitpunkts und des betraglichen Umfangs einer faktischen Liquidation in Zusammenhang mit der Gewährung von Darlehen an Nahestehende ist vorliegend nicht zu beanstanden. Der solidarisch für die Verrechnungssteuer haftenden Beschwerdeführerin (dannzumal einzige Verwaltungsrätin und danach Liquidatorin) ist der Exkulpationsbeweis nicht gelungen; Abweisung der Beschwerde.
  • Urteil vom 30. Juni 2021 (A-1121/2020): Stempelabgabe; Die schweizerische A AG erwarb von der B SA 70% ihrer Beteiligung an der D LLC für CHF 22.5 Mio., in derselben Höhe gab B SA der A AG ein Darlehen. Im Falle der Nichtrückzahlung vereinbarten die Parteien, dass die A AG neue Aktien an die B SA ausgibt. 10 Monate nach dem Verkauf erhöhte die A AG ihr Aktienkapital um CHF 20 Mio., welches durch Verrechnung mit dem Darlehen von der B SA liberiert wurde. B SA erhielt eine Beteiligung von 93.68% an der A AG. Die ESTV forderte die Entrichtung der Emissionsabgabe auf der Kapitalerhöhung von CHF 20 Mio. Strittig ist zwischen den Parteien, ob Art. 6 Abs. 1 Bst. abis StG (Quasifusion) Anwendung findet. Das Gericht stützte die Argumentation der ESTV. Der zivilrechtlich bindende Wortlaut des abgeschlossenen Shareholders Agreement spricht von einer «Veräusserung», sogleich war die Ausgabe der Aktien nicht von Anfang an als notwendiger Schritt beabsichtigt, sondern nur für den Fall der späteren Nichtrückzahlung des Darlehens. Aus denselben Gründen bestehe zwischen der Kapitalerhöhung und dem Erwerb der Beteiligung an der D LLC kein enger sachlicher Zusammenhang, dass noch von einem einheitlichen Umstrukturierungsvorgang gesprochen werden kann. Auf das Argument der ESTV, dass die Kapitalerhöhung nicht zeitnah, sondern 10 Monate später stattfand und es deshalb an einer Übertragung «Zug um Zug» fehlt, ging das BVGer nicht näher ein. Beschwerde der Steuerpflichtigen abgewiesen.
  • Urteil vom 04. Juni 2021 (A-953/2020): Verrechnungssteuer; Nichteintreten bestätigt mit Urteil 2C_563/2021 vom 27. Juli 2021. Siehe unseren Beitrag vom 15. August 2021.
  • Urteil vom 01. Dezember 2020 (A-1795/2017):  Verrechnungssteuer; Gutheissung der Beschwerde mit Urteil 2C_80/2021 vom 29. Juli 2021. Siehe unseren Beitrag vom 22. August 2021.
  • Urteil vom 26. Oktober 2020 (A-4487/2019; A-4488/2019): Mehrwertsteuer; Hypothekargeschäfte; Vorsteuerabzugskorrektur; Teilweise Bestätigung des Entscheids mit Urteil 2C_1021/2020 vom 28. Juli 2021. Siehe unseren Beitrag vom 22. August 2021.

Entscheide im Bereich der Amtshilfe:

  • Urteil vom 11. August 2021 (A-2772/2021): Amtshilfe (DBA CH-FR); Im vorliegenden Verfahren wurde geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Revision des Urteils A-1783/2019 erfüllt sind und welche Auswirkungen eine solche Nichtigkeitserklärung zur Folge hat. Das Gericht kommt zum Schluss, dass eine direkte Information der beschwerdeberechtigten Person gemäss Art. 14 Abs. 4 StAhiG im vorliegenden Fall nicht rechtens war. Teilweise Gutheissung und Anpassung des Urteils A-1783/2019 vom 19. Mai 2021.
  • Urteil vom 13. August 2021 (A-5964/2019): Amtshilfe (DBA CH-IN); Teilweise Zulassung der Beschwerde.
  • Urteil vom 13. Juli 2021 (A-6153/2020): Amtshilfe (DBA CH-FR); Abweisung der Beschwerde mit Urteil 2C_591/2021.
  • Urteil vom 08. Juni 2021 (A-5453/2020): Amtshilfe (DBA CH-FR); Abweisung der Beschwerde.

Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.