Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen dem 26. - 31. Dezember 2022 publiziert wurden:

  • Urteil vom 6. Mai 2022 (2C_977/2020) – zur Publikation vorgesehen: Staats- und Gemeindesteuern (Thurgau), Quellensteuer, 2017; Der Steuerpflichtige zog per Mitte 2017 definitiv aus der Schweiz weg (nach Österreich) und schloss seine (unbeschränkte) Steuerpflicht in der Schweiz auf den 30. Juni 2017 ab. Am 19. September 2017 nahm der Steuerpflichtige eine vorübergehende Erwerbstätigkeit im Kanton Thurgau auf, welche am 27. Dezember 2017 endete, und wurde dadurch in der Schweiz vorübergehend beschränkt Steuerpflichtig. Für diese Arbeitstätigkeit wird der Steuerpflichtige unstreitig im ordentlichen Verfahren (nicht an der Quelle) besteuert. Streitig und zu prüfen war die für eine unterjährige beschränkte Steuerpflicht massgebliche Satzbestimmung anhand des nationalen Rechts (Art. 40 DBG) sowie des Freizügigkeitsabkommens. Gemäss BGer sind die Einkünfte im Kanton Thurgau i.S.v. Art. 40 Abs. 3 DBG auf zwölf Monate hochzurechnen – beziehen sich aber nicht auf Zeiträume, in denen der Steuerpflichtige nicht der schweizerischen Steuerhoheit unterstand. Laut BGer ist die Situation des gebietsfremden Steuerpflichtigen bis zur Aufnahme der Grenzgängertätigkeit nicht mit derjenigen einer gebietsansässigen Person vergleichbar und eine Differenzierung insoweit freizügigkeitsrechtlich zulässig. Entsprechend hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf eine ordentliche Veranlagung für den Zeitraum zwischen dem Wegzug per Ende Juni 2017 und der Aufnahme der Erwerbstätigkeit am 19. September 2017 und demnach auch keinen Anspruch auf die Berücksichtigung dieses Zeitraums für die Bestimmung des Steuersatzes. Auch in der Satzhochrechnung gemäss Art. 40 Abs. 3 DBG liegt gemäss BGer keine freizügigkeitsrechtliche Diskriminierung. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteile vom 08. Dezember 2022 (2C_973/2021; 2C_975/2021; 2C_977/2021; 2C_981/2021; 2C_982/2021; 2C_983/2021; 2C_986/2021; 2C_989/2021): Amtshilfe DBA CH-FR; Der Sachverhalt ist derselbe wie im Urteil BGer 2C_772/2021 vom 08. November 2022, das zur Publikation bestimmt ist (siehe unseren Beitrag vom 04. Dezember 2022). Da der Eintretensentscheid in den hier behandelten Urteilen jedoch bereits ergangen war, wurde die vorliegende Sache materiell geprüft. Streitig ist, ob die ESTV dem wirtschaftlich Berechtigten eines Bankkontos die Schlussverfügung durch Publikation im Bundesblatt eröffnen kann, wenn sie nicht weiss, dass die Gesellschaft welche Kontoinhaberin ist, einen Vertreter in der Schweiz bestimmt hat. Die Beschwerdeführer stellen die Frage, ob nicht von der ESTV erwartet werden kann, dass sie den Vertreter vorgängig kontaktiert, um herauszufinden, ob er auch den wirtschaftlich Berechtigten des Kontos vertritt. Diese Frage wurde bereits in Urteil 2C_772/2021 vom 08. November behandelt. Das vorliegende Amtshilfegesuch war Gegenstand des Grundsatzurteils BGE 146 II 150 vom 26. Juli 2019 (siehe unsere Beiträge vom 27. Juli 2019 und 08. Dezember 2019). Art. 14 Abs. 3 - 5 StAhiG sieht für die Benachrichtigung von betroffenen Personen, die im Ausland wohnhaft sind, eine besondere Art der Benachrichtigung vor. Vorliegend kannte die ESTV die Namen der vom Amtshilfegesuch betroffenen Personen nicht, da diese in der Anfrage nicht anhand von Namen und Adresse, sondern anhand von Kontonummern identifiziert wurden. Die Information über den Wohnsitz der beschwerdeberechtigten Person ist entweder im Amtshilfegesuch enthalten oder in der Dokumentation, die der Informationsinhaber der ESTV übermittelt. In beiden Fällen auferlegt das AIAG der ESTV keine Pflicht, diese Informationen zu überprüfen oder zu untersuchen, insbesondere um festzustellen, ob unter den Personen, die mit einem Wohnsitz im Ausland in Verbindung gebracht werden, nicht einige sind, die nunmehr in der Schweiz wohnen. Wenn eine beschwerdeberechtigte Person einen Vertreter benannt hat, der in der Schweiz Zustellungen entgegennehmen kann, verpflichtet das AIAG die ESTV auch nicht diesen Vertreter zu kontaktieren, um ihn zu fragen, ob er nicht andere Personen vertritt, die im selben Verfahren beschwerdeberechtigt sind. Für Personen, die mit einem Wohnsitz in Frankreich verbunden sind und keine Zustellungsadresse in der Schweiz angegeben haben, ist eine direkte Zustellung gemäss Art. 17 Abs. 3 MAC prinzipiell möglich, jedoch erst für die Steuerperioden ab 1. Januar 2018. Die Veröffentlichung der Schlussverfügung im Bundesblatt war somit ordnungsgemäss. Weiter ist festzuhalten, dass die an einem Bankkonto wirtschaftlich Berechtigte, die gegen eine ihr ordnungsgemäss zugestellte Schlussverfügung keine Beschwerde einlegt, bewirkt, dass diese rechtskräftig wird. Somit kann sie nicht gegen dieselbe Verfügung, welche später der Inhaberin des Bankkontos eröffnet wird, eine Beschwerde einlegen. Dass die ESTV die Schlussverfügungen nicht allen gleichzeitig zugestellt hat, ist nicht zu bemängeln. Es gibt keine Verfahrensregel, die eine bestimmte Reihenfolge vorschreibt. Abweisung der Beschwerde der steuerpflichtigen A., B. und D. dem Rechtsnachfolger des C.
  • Urteil vom 12. Dezember 2022 (2C_403/2022); Mehrwertsteuer, Steuerperioden 2012 bis 2016; Strittig ist, ob die zehn Fahrzeuge im Eigentum der Steuerpflichtigen dem Geschäftsführer und dessen Vater privat, in den relevanten Steuerperioden 2012 bis 2015 sowie 2016, "Zurverfügung" standen oder nicht. Das Bundesgericht hält fest, dass es sich beim Geschäftsführer der Steuerpflichtigen um einen Sammler handelt, der einen Teil seiner Fahrzeug-Sammlung, unbestrittenermassen privat besitzt und Fahrzeuge, in der von ihm beherrschten Aktiengesellschaft angekauft hat. Zusammenfassend läge daher ein "Zurverfügungstellen" der zehn Fahrzeuge an den Geschäftsführer im Sinne eines mehrwertsteuerlich relevanten Leistungsverhältnisses zwischen der Steuerpflichtigen und dem Geschäftsführer vor (Art. 18 Abs. 1 MWSTG in Verbindung mit Art. 3 Bst. c MWSTG). Die Mehrwertsteuer auf der Leistung des "Zurverfügungstellens" der Fahrzeuge, bemisst sich folglich nach Art. 24 Abs. 2 MWSTG nach dem Drittpreis. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass das hierfür relevante Mietentgelt zum Drittkostenpreis sachgerecht durch die ESTV mittels der publizierten "Vollkostenrechnung" berechnet worden ist. Die Beschwerde der ESTV wird gutgeheissen. Das Urteil A-4191/2020, A-4193/2020 vom 6. April 2022 wird demnach aufgehoben und die zwei Einspracheentscheide der ESTV vom 19. Juni 2020 werden bestätigt.
  • Urteil vom 17. November (2C_282/2022): Staats- und Gemeindesteuern und direkte Bundessteuer 2016-2017 (Nidwalden); Streitig ist, ob die von der Beschwerdeführerin in ihren Jahresrechnungen 2016 und 2017 erfolgswirksam vorgenommene Bildung von „Rückstellungen Baumunterhalt“ geschäftsmässig begründet ist. Die Vorinstanz erachtete nach einer Einsprache eine Rückstellungsbildung im Umfang von 5% des Jahresumsatzes der Beschwerdeführerin als geschäftsmässig begründet. Die Beschwerdeführerin bemängelt, dass nicht einfach auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen abgestellt werden kann, sondern die tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigt werden sollen. Mit der Gewährung der pauschalen Rückstellungen wird vernachlässigt, dass sich die Teakplantagen nicht in der Schweiz befänden. Das Totalausfallrisiko sowie das Risiko aufgrund möglicher Unverkäuflichkeit der Bäume sei wesentlich höher, als es unter Schweizer Verhältnissen anzunehmen wäre. Bei den während der Umtriebszeit im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der Baumplantagen anfallenden Kosten handelt es sich jedoch um typisch periodenbezogene Kosten und dass die Beschwerdeführerin in den mit den Investoren geschlossenen Verträgen gegen eine 15%-ige Beteiligung am Netto-Verkaufserlös die Bewirtschaftung der Bäume übernimmt, ändert nichts. Als Begründung für die Gewährung der pauschalen Rückstellung nehmen die Steuerverwaltung, die Vorinstanz und auch die Beschwerdeführer vielmehr zum einen auf das Risiko der Beschwerdeführerin Bezug, das sich aus der von ihr gemäss ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber den Investoren übernommenen Verpflichtung ergibt und zum anderen wird dadurch auch das Risiko eines Totalausfalls getragen. Die Gewährung einer pauschalen Garantierückstellung für die Tatsache, dass bei der Anpflanzung von Bäumen immer in einem nicht unerheblichen Ausmass mit Ausfällen zu rechnen ist, ist in Ordnung. Das die Steuerverwaltung diese auf 1% des Jahresumsatzes geschätzt hat, ist nicht zu bemängeln. Anders verhält es sich mit der pauschalen Rückstellung für die Unverkäuflichkeit nach Vertragsablauf. Für ein so weit in der Zukunft liegendes Risiko kann keine steuerlich anerkannte Rückstellung gebildet werden. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 15. Dezember 2022 (2C_122/2022): Direkte Bundessteuer, Kantons- und Gemeindesteuern 2008-2017; Selbstanzeige; Nachsteuern und Verzugszinsen auf Nachsteuern (Genf); Streitig war namentlich die Auslegung des Kriteriums der Erstmaligkeit bei der straflosen Selbstanzeige. Der Verzicht auf Strafverfolgung gemäss Art. 175 Abs. 3 DBG führt dazu, dass der Steuerpflichtige, der eine erste Selbstanzeige macht, nicht schuldig gesprochen wird. Folglich hängt die Annahme einer bereits erfolgten ersten Selbstanzeige im Sinne nicht davon ab, dass die Steuerbehörde den Steuerpflichtigen für schuldig erklärt und dabei von einer Strafe absieht. Es reicht aus, dass die Steuerbehörde, ohne ein Strafverfahren einzuleiten, eine Straflosigkeitsverfügung auf der Grundlage von Art. 175 Abs. 3 DBG trifft, damit eine spätere Selbstanzeige nur noch der Strafmilderung, nicht aber einer Strafbefreiung unterliegt. Es ist anzumerken, dass das Fehlen einer Straflosigkeitsverfügung, insbesondere aus dem Grund, dass nach Prüfung der Selbstanzeige festgestellt wird, dass keine Steuern hinterzogen wurden oder dass die Verjährung eingetreten ist, dazu führt, dass eine spätere Selbstanzeige als erstmalige Selbstanzeige betrachtet wird. Vor diesem Hintergrund ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bereits um die zweite Selbstanzeige des Steuerpflichtigen handelte. Das Nachsteuerverfahren ist sodann nicht gleichbedeutend mit einer neuen vollständigen Prüfung der Veranlagung, sondern bezieht sich nur auf Punkte, für die die Steuerbehörde neue Informationen hat. Die neuen Argumente, die der Steuerpflichtige seinerseits vorbringen kann, um die Steuerlast im Nachsteuerverfahren zu senken, sind begrenzt: Der Steuerpflichtige darf das Nachsteuerverfahren nicht nutzen, um frei auf die gesamte Veranlagung zurückzukommen; vorbehaltlich eines offensichtlichen Fehlers kann er nur beantragen, dass die Veranlagung zu seinen Gunsten in den Punkten wieder aufgenommen wird, die gerade Gegenstand der Nachsteuer sind. Der Abzug der Schulden für die Nachsteuern aus der ersten Selbstanzeige gehören nicht dazu und stellen auch nicht einen offensichtlichen Fehler dar: Als die damaligen Nachsteuerverfügungen ausgestellt wurden, wussten weder die Steuerpflichtigen noch die Genfer Steuerbehörden, dass die Verweigerung des Schuldenabzugs aus Nachsteuerrechnungen bundesrechtswidrig war. Diese Unkenntnis stellt keinen offensichtlichen Fehler dar, da die Korrektur durch ein (vom Fall unabhängiges) Urteil des Bundesgerichts erfolgte. Die Berechnung der Verzugszinsen sowie deren zeitliche Zuordnung bzgl. Abziehbarkeit sind sodann ebenfalls nicht zu beanstanden. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 13. Dezember 2022 (2C_733/2022): Nachsteuer- und Bussenverfahren 2007-2015 Genf sowie direkte Bundessteuer; SämtlicheRügen (willkürliche Feststellung des Sachverhalts, Verletzung desAnspruchs auf ein unabhängiges Gericht sowie die Verletzung von Bundesrecht etc.) wurden, soweit auf diese überhaupt eingegangen wurde, abgewiesen; Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 15. Dezember 2022 (2C_846/2022): MWST 2012-2015; Vorsteuerabzug, Steuerumgehung; Das rechnungsstellende und nahestehende Unternehmen war mit ungenügend Eigenkapital ausgestattet und ging relativ schnell Konkurs, verfügte über kein Anlagevermögen oder Arbeitskräfte, die weitergehende Aufgaben hätten abdecken können als diejenigen der Steuerpflichtigen. Zudem wurde die abgezogene Vorsteuer vom rechnungsstellenden Unternehmen nicht effektiv an die ESTV überwiesen, was eine Steuerersparnis bedeutet. Der Vorsteuerabzug wurde somit zu Recht verweigert. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 7. Dezember 2022 (2C_633/2022): Direkte Bundessteuer (Waadt); unentgeltliche Prozessführung; Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 7. Dezember 2022 (2C_690/2022): Direkte Bundessteuer (Waadt); Die Beschwerde der Steuerpflichtigen gegen den Nichteintretensentscheid der Vorinstanz aufgrund Nichtbezahlens des Kostenvorschusses ist offensichtlich unbegründet.

Nichteintretens - und Abschreibungsentscheide:

Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.