Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen dem 2. - 8. Januar 2023 publiziert wurden:

  • Urteil vom 21. Dezember 2022 (2C_170/2022): Mehrwertsteuer (2012-2016); Unzulässigkeit der Beschwerde; Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht zu Recht die Verfügung der ESTV bestätigt hat, und die seitens der Beschwerdeführerin eingereichte Beschwerde wegen Verspätung für unzulässig erklärt hat. Die Beschwerdeführerin rügt zum einen eine formelle Rechtsverweigerung und eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV) und zum anderen eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV). Das Bundesverwaltungsgericht habe ihr die Zustellfiktion in seinem Entscheid entgegengehalten, obschon die strittige Verfügung nur per A-Post Plus und nicht per Einschreiben zugestellt worden sei und der Treuhänder bestätigt habe, die strittige Verfügung nie erhalten zu haben. Das Bundesgericht hält fest, wonach es in Bezug auf die Mehrwertsteuer keine gesetzlichen Bestimmungen gibt, die dazu verpflichten würden, Verfügungen auf bestimmte Weise zu übermitteln. Bei einer A-Post Plus-Sendung gilt die Sendung nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit dem Einwurf in den Briefkasten oder in das Postfach des Empfängers als zugestellt, wobei dieser Zeitpunkt den Ausgangspunkt für die Berechnung der Beschwerdefrist darstellt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist das Auftreten eines Fehlers in Bezug auf die Zustellung per Post nicht völlig ausgeschlossen. Eine fehlerhafte Zustellung darf jedoch nur angenommen werden, wenn sie aufgrund der Umstände plausibel erscheint. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass keine konkreten Hinweise auf einen Fehler vorliegen. Die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Verfügung vom 7. Mai 2020, die gemäss dem "Track & Trace"-Auszug der Post am Freitag, 8. Mai 2020 "via Postfach" zugestellt wurde, dem Treuhänder der Beschwerdeführerin korrekt zugestellt wurde, beruht auf einer korrekten Anwendung von Art. 82 Abs. 2 MWSTG und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Zustellung von Postsendungen, die als A-Post Plus versandt wurden. Die Beschwerde der Steuerpflichtigen wird abgewiesen.
  • Urteil vom 16. Dezember 2022 (2C_907/2022): Direkte Bundessteuer und Kantons- und Gemeindesteuern 2006-2008 (Genf); Die steuerpflichtige A. SA mit Sitz in Genf hielt indirekt die D. mit Sitz auf den BVI zu 79.53%, die im Fondsbereich tätig war. Gemäss vorinstanzlichen Feststellungen handelt es sich bei D. um eine leere Hülle, da sie auf den BVI über keinerlei betriebliche Infrastruktur, Personal resp. Räumlichkeiten, verfügt. Sie erwirtschaftete jedoch in den strittigen Jahren einen Gewinn in Millionenhöhe, da der Angestellte und Alleinaktionär der Steuerpflichtigen, B., seine Tätigkeit für die D. ausübte. Die von der Steuerpflichtigen gewählte Rechtsform erscheint als ungewöhnlich, unangemessen und auf jeden Fall ungeeignet für das verfolgte wirtschaftliche Ziel. Es wäre viel logischer gewesen, wenn die Gelder direkt von der Steuerpflichtigen und ihrem Angestellten verwaltet worden wären, ohne über eine externe Struktur ohne wirkliche Substanz zu gehen. Im Ergebnis wird vor diesem Hintergrund eine Steuerumgehung bejaht und das vorinstanzliche Urteil, welches 79.53% des Gewinns von D. bei der Steuerpflichtigen erfasste, dies allerdings fälschlicherweise mit einer Verrechnungspreiskorrektur, zumindest im Ergebnis bestätigt. Angesichts der bejahten Steuerumgehung liess das Bundesgericht die Frage nach einem möglichen Durchgriff offen. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 15. Dezember 2022 (2C_217/2022) - zur Publikation vorgesehen: Mehrwertsteuer; Steuerperioden 2006 bis 2009; Streitig ist vorliegend der Vorsteuerabzug der Beschwerdegegnerin in den Jahren 2007 bis 2009 betreffend die gemischte Verwendung des Flugzeugs. Dieser Sachverhalt ist nach altem Recht zu beurteilen. Das Bundesgericht hatte schon verschiedentlich zu bestimmen, wie eine Gesellschaft, die ein Flugzeug hält, mehrwertsteuerlich zu behandeln ist, wenn sie den Aktionär oder nahestehende Personen mit dem Flugzeug befördert oder das Flugzeug ihrem Aktionär oder einer nahestehenden Person zur Verfügung stellt. Das Bundesgericht hielt in einer ersten Phase fest, dass Leistungen nach altem MWST-Recht zum Vorsteuerabzug berechtigen, wenn sie in steuerbare geschäftliche Umsätze fliessen. In einer zweiten Phase anerkannte das Bundesgericht bei Beförderungsleistungen an den wirtschaftlich Berechtigten oder eine nahestehende Person einen Leistungsaustausch, selbst wenn die Leistung zu privaten Zwecken verwendet wurde. Solche Gestaltungen prüfte es unter dem Titel der Steuerumgehung. Diese Ansicht führte in der Literatur zu Kritik. Es wurde nämlich darauf hingewiesen, dass die das Flugzeug haltende Gesellschaft von Gesetzes wegen zur Anmeldung im MWST-Register verpflichtet ist, sobald sie die Voraussetzungen der subjektiven Steuerpflicht erfüllt. Weiter wurde festgehalten, dass die Frage der subjektiven Steuerpflicht, welche das Bundesgericht in bereits früher ergangener Rechtsprechung offengelassen hatte, steuersystematisch vor der Steuerumgehung zu prüfen sei. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den Ausnahmecharakter des Instituts der Steuerumgehung ist demnach zunächst zu prüfen, ob Gesellschaften wie die Beschwerdegegnerin überhaupt der subjektiven Steuerpflicht unterliegen und den Vorsteuerabzug beanspruchen können, bevor die Gestaltung auf Steuerumgehung geprüft wird. Die Tätigkeit von Flugzeug-Eigentümergesellschaften kann nicht als gewerblich bezeichnet werden, soweit die Gesellschaft zur Befriedigung der privaten Bedürfnisse des wirtschaftlich Berechtigten oder ihm nahestehende Personen eingesetzt wird. Folglich ist auch kein Vorsteuerabzug möglich. In ihrer aktuellen Praxis betrachtet die ESTV eine private Nutzung des Flugzeugs von bis zu 20% als unschädlich (MWST-Branchen-Info 11 Luftverkehr). Sobald dieser Wert überschritten wird, fällt jedoch die gesamte Verwendung des Flugzeugs zu privaten Zwecken durch den wirtschaftlich Berechtigten und nahestehende Personen aus dem Anwendungsbereich der MWST und berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass das Flugzeug in erheblichem Umfang an unabhängige, genau bezeichnete Dritte verchartert wurde. Somit wurde in Bezug auf Dritte zweifellos eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt. Unklar ist jedoch der Umfang der übrigen Nutzung (also ob privater oder geschäftlicher Zweck). Das Bundesgericht kann somit nicht beurteilen, ob das Flugzeug zu mehr als 20% für private Zwecke benutzt wurde. Gutheissung der Beschwerde der ESTV und Rückweisung zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an das Bundesverwaltungsgericht und Feststellung der Verjährung der Steuerperiode 2006 von Amtes wegen.
  • Urteil vom 21. Dezember 2022 (2C_1026/2021): Kantons- und Gemeindesteuern 2018 (Freiburg); Gewinnsteuer; Sponsoringausgaben; Verdeckte Gewinnausschüttung; Die A. SA (Steuerpflichtige) mit Sitz im Kanton Wallis bezweckt diverse Aktivitäten im Immobilienbereich sowie die Entwicklung und Unterstützung von sportlichen Aktivitäten. Die B. SA ist Alleinaktionärin der Steuerpflichtigen A. SA sowie der D. SA. Die D. SA kontrolliert den Fussballverein FC V. C. ist Alleinaktionär der B. SA und Geschäftsführer dieser drei Gesellschaften. In ihrer Steuererklärung 2018 gab die Steuerpflichtige einen steuerbaren Gewinn von CHF 4'884'395 an, der sich nach Abzug eines Betrags von CHF 3'725'000 ergab. Die Steuererklärung enthielt eine interkantonale Ausscheidung, wonach dem Kanton Freiburg ein Anteil von 1'327'362 Fr. an diesen Aufwendungen zugewiesen wurde. Auf Nachfrage der Freiburger Steuerverwaltung erläuterte die Steuerpflichtige, dass es sich um Sponsoringausgaben zugunsten der D. SA handelte (diese waren der D. SA in Form eines Forderungsverzichts zugeflossen), welche in einem Ruling mit der Walliser Steuerverwaltung vorbesprochen worden sein. Die Freiburger Steuerverwaltung verweigerte die anteilige Übernahme der Ausgaben und wies sie vollständig dem Sitzkanton Wallis zu (unter anteiliger Übernahme des daraus entstehenden Walliser Verlustes). Im Rechtsmittelverfahren nahm das Kantonsgericht Freiburg eine reformatio in peius vor, indem es die Ausgaben als verdeckte Gewinnausschüttung qualifizierte. Das Bundesgericht verwarf vorab die Rüge der Steuerpflichtigen, der Kanton Freiburg sei an die Veranlagung des Sitzkantons Wallis gebunden. Art. 39 Abs. 2 StHG beschränkt sich nämlich darauf, dass der Sitzkanton seine Veranlagung dem anderen Kanton zur Kenntnis bringt. Seine eigene Veranlagung hat also nicht die Wirkung, den anderen Kanton zu zwingen, sich seiner Position anzuschliessen. Jeder Kanton bleibt somit berechtigt, seine eigene Beurteilung des Sachverhalts vorzunehmen und anschliessend seine eigene Veranlagung und Verteilung vorzunehmen. Sponsoringausgaben können geschäftsmässig begründete Aufwendungen sein. Nicht abzugsfähig sind Sponsoringbeiträge aber dann, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stehen, sondern lediglich den privaten Interessen des Unternehmers oder, im Falle einer juristischen Person, der beteiligten Person oder einer dieser nahestehenden Person dienen. Vorliegend lagen ausreichend Indizien vor, die gegen eine geschäftsmässige Begründetheit der Aufwendungen sprechen. Ein Vertrauensschutz aufgrund des Walliser Rulings wurde sodann verneint. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 14. Dezember 2022 (2C_464/2022): Die Aufrechung aufgrund einer verdeckten Gewinnausschüttung hat dem Wert des von der Gesellschaft gewährten Vorteils entsprechen, was - bei einem Immobilienverkauf zu einem Vorzugspreis wie im vorliegenden Fall - grundsätzlich der Differenz zwischen dem effektiven Verkaufspreis und dem Verkehrswert des veräusserten Objekts entspricht. Hypothetische Mäklerkosten müssen nicht berücksichtigt werden, da sie den Marktwert der zu einem Vorzugspreis verkauften Immobilie und damit den Wert des der nahestehenden Person gewährten Vorteils nicht schmälern. Gutheissung der Beschwerde der Steuerverwaltung.
  • Urteil vom 15. Dezember 2022 (2C_705/2022): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2007-2011 (St. Gallen); nebst diverser formeller Rügen macht der Steuerpflichtige in materieller Hinsicht im Wesentlichen geltend, dass die Vorinstanz seine Tätigkeit für die B. Bank zu Unrecht als unselbständige Erwerbstätigkeit qualifizierte. Unter der für das Bundesgericht verbindlichen Prämisse, dass der Beschwerdeführer in die Arbeitsorganisation der B. Bank eingegliedert war, ist diese Qualifikation jedoch nicht zu beanstanden. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 21. Dezember 2022 (2C_1008/2022): Mehrwertsteuer: Fristwahrung und Rechtliches Gehör; Die Steuerpflichtige machte geltend, dass ihr der Einspracheentscheid der ESTV erst am 6. März 2021 zugestellt wurde, wogegen sie fristwahrend am 20. April 2021 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhob. Das Bundesverwaltungsgericht trat auf die Beschwerde nicht ein, dies zufolge versäumter Beschwerdefrist. Dagegen erhob die Steuerpflichtige Beschwerde beim Bundesgericht, wobei sie hauptsächlich geltend machte, dass ihr rechtliches Gehör, infolge Nichtzustellung der Vernehmlassung der ESTV im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren, verletzt wurde. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut (siehe unseren Beitrag vom 20. Februar 2022). Das Bundesverwaltungsgericht räumte der Steuerpflichtigen – mit zweimaliger Fristerstreckung – daraufhin die Möglichkeit ein, sich zur Vernehmlassung der ESTV zu äussern. Die Steuerpflichtige beantragte stattdessen, der Instruktionsrichter sei infolge Befangenheit in den Ausstand zu versetzen. Sowohl das Bundesverwaltungsgericht wie auch nachfolgend das Bundesgericht (siehe unseren Beitrag vom 1. November 2022) wiesen das Ausstandsbegehren ab. Im Anschluss an den Verfahrensausgang hinsichtlich des Ausstandsbegehrens gewährte das Bundesverwaltungsgericht letztmals eine Nachfrist, um sich zur Eingabe der ESTV zu äussern. Am letzten Tag der Nachfrist reagierte die Steuerpflichtige mit einem weiteren Fristerstreckungsgesuch, wobei sie hauptsächlich vorbrachte, dass ihr die Zwischenverfügung vom 21. Oktober 2022 erst am 31. Oktober 2022 zugestellt worden sei und ihr somit nur drei Tage verblieben wären um eine Stellungnahme zu verfassen. Das Bundesverwaltungsgericht wies das Fristerstreckungsgesuch ab und urteilte weiterhin, dass auf die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der ESTV mangels Fristwahrung nicht einzutreten sei. Dies deshalb, da die Sendungsverfolgung "Track & Trace" der Post CH AG eine Zustellung am 5. März 2021 ergab (und nicht wie behauptet am 6. März 2021), womit die Beschwerde am 20. April 2021 nicht mehr fristwahrend erfolgt sei. Auch das Bundesgericht taxierte die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der ESTV als nicht fristwahrend. Die von der Steuerpflichtigen vorgebrachte Behauptung, die Post hätte den Einspracheentscheid dem Nachbarn zugestellt und dieser hätte ihr den Brief erst am 6. März 2021 übergeben, überzeugte nicht - trotz schriftlicher Bestätigung des Nachbarn. Dies mit Blick auf die besonderen Sorgfaltspflichten des Rechtsvertreters: Dieser hätte den Zahlencode auf dem Couvert prüfen und eine nicht ordnungsgemässe Zustellung im Vorfeld einwenden müssen. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.

Nichteintretens- und Abschreibungsentscheide:

Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.