Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die in der Woche vom 25. November - 1. Dezember 2019 publiziert wurden.

  • Urteil vom 5. November 2019 (2C_285/2018): Staats- und Gemeindesteuern 2013 (Thurgau); Gewinnungskostenüberschüsse einer Immobiliengesellschaft nach KS 27 SSK. Während der Kt AG Verluste quotal auf die übrigen Kantone aufteilt, weist der Kt TG diese zuerst dem Hauptsteuerdomizil (HSD) zu. Ein Methodenmix ist so weit wie möglich zu vermeiden. Somit sind Verluste in erster Linie mit dem Gewinn am HSD zu verrechnen. Nur wenn der Gesamtverlust höher ist als der Gewinn am HSD, ist der überschiessende Teil quotal auf die Gewinne der anderen Kantone umzulegen. Die Beschwerde gegen den Kanton Thurgau wird abgewiesen. Die Sache wird zur Neuveranlagung im Sinne der Erwägungen an das Steueramt des Kantons Aargau zurückgewiesen.
  • Urteil vom 6. November 2019 (2C_484/2019): Direkte Bundessteuer, Kantons- und Gemeindesteuern 2004-2010 (Waadt); die Vorinstanz hat die Verbuchung von Fahrzeugaufwendungen, die dem privaten Lebensaufwand des Einzelaktionärs resp. von diesen nahestehenden Personen zuzuordnen sind, zu Recht als geldwerte Leistung qualifiziert. Auch die schematische Aufteilung der Kosten zwischen privaten und geschäftsmässig begründeten Aufwendungen ist angesichts der inkorrekten Buchhaltung der Gesellschaft nicht zu beanstanden. In einem Punkt betreffend die Steuerperiode 2006 wurde allerdings eine reformatio in peius ohne vorgängige Anhörung der Steuerpflichtigen vorgenommen. Dies stellt eine Gehörsverletzung dar und kann aufgrund des Periodizitätsprinzips nicht damit gerechtfertigt werden, dass über alle strittigen Steuerperioden betrachtet eine Besserstellung erfolgt ist. Teilweise Gutheissung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 11. November 2019 (2C_383/2019): Direkte Bundessteuer, Kantons- und Gemeindesteuern 2009 (Jura); die Steuerpflichtigen hatten nach Mahnung zur Einreichung der Steuererklärung nach Ablauf der in der Mahnung festgesetzten Frist eingereicht, woraufhin die Steuerverwaltung eine Ermessensveranlagung in Aussicht stellte, die über zwei Jahre später erfolgte. Art. 130 Abs. 2 DBG sieht gemäss Wortlaut zwei alternative Gründe dafür vor, wieso eine Ermessensveranlagung vorgesehen werden kann (Pflichtverletzung nach Mahnung oder unklarer Sachverhalt). Allerdings hat erst dann eine Ermessensveranlagung zu erfolgen, wenn trotz durchgeführter Untersuchung durch die Steuerbehörde der Sachverhalt nicht ausreichend erhellt werden konnte und somit eine Unsicherheit verbleibt, die die Steuerverwaltung daran hindert, die Veranlagung vollständig und korrekt durchzuführen. Mit anderen Worten, begründet die Tatsache, dass der Steuerpflichtige seine Verfahrenspflichten verletzt hat hat, nicht das Recht auf eine Ermessensveranlagung, wenn die Steuerverwaltung auch von Amts wegen alle für die Besteuerung massgeblichen Elemente feststellen konnte. Abweisung der Beschwerde der Steuerverwaltung.
  • Urteil vom 11. November 2019 (2C_633/2019): Kantonale Steuer (Tessin und Luzern); interkantonale Doppelbesteuerung; Ort der tatsächlichen Verwaltung einer Gesellschaft. Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer ein Unternehmen mit statutarischem Sitz im Kanton Luzern, das Beteiligungen und Liegenschaften in der ganzen Schweiz verwaltet. Das einzige Mitglied des Verwaltungsrates bzw. Geschäftsführer der Gesellschaft hat seinen Wohnsitz im Kanton Tessin. Sowohl die Steuerverwaltung des Kantons Tessin als auch diejenige des Kantons Luzern haben das Bestehen einer unbeschränkten Steuerpflicht der betroffenen Gesellschaft in ihrer eigenen Steuerhoheit geltend gemacht. Der Beschwerdeführer hat daraufhin das Bestehen einer unbeschränkten Steuerpflicht im Kanton Tessin bis vor das Bundesgericht angefochten. Das BGer wies die Beschwerde der Steuerpflichtigen mit der Begründung ab, dass sich der Ort der tatsächlichen Verwaltung im Tessin befindet. Im Kanton Luzern verfüge die Gesellschaft hingegen nur über einen bloss formellen Sitz, denn es werden weder die einigen Räumlichkeiten offenkundig benutzt noch Personal angestellt bzw. eingesetzt. Der statutarische Sitz ist nicht der wirklichen Situation angepasst und erscheint dadurch künstlich. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteile vom 12. November 2019 (2C_526/2019, 2C_531/2019, 2C_532/2019, 2C_533/2019); Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Waadt sowie direkte Bundessteuern 2004-2011; Nach- und Strafsteuerverfahren wegen nicht verbuchten Verkäufen gegen die Gesellschaft sowie die einzige Gesellschafterin. Eine Vereinigung von Nach- und Strafsteuerverfahren gegen die Gesellschaft und die einzige Gesellschafterin rechtfertigt sich nicht. Keine Rechtsverletzung bzw. keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung. Keine Verjährung der Steuerhinterziehung. Das Bundesgericht erinnert daran, dass Steuerhinterziehungsbussen von der Vorinstanz eigentlich von Amtes wegen zu überprüfen gewesen wären und nicht einfach hätten bestätigt werden dürfen. Dennoch Bestätigung, da vor Bundesgericht nicht angefochten.
  • Urteil vom 1. Oktober 2019 (2C_411/2019): Kanalisationsanschlussgebühr (Kanton Solothurn); der Beschwerdeführerin wurde durch frühere Vereinbarungen kein Recht auf kostenfreie Abnahme zu behandelnder Abwässer für neu errichtete Gebäude zugestanden, weshalb die Auferlegung einer Kanalisationsanschlussgebühr weder gegen den Vertrauensgrundsatz verstösst, noch einen Eingriff in wohlerworbene Rechte darstellt. Zudem erscheint die Anschlussgebühr nicht als dermassen hoch, dass sich aufgrund des Äquivalenzprinzips ein Eingreifen in die reglementarische Gebührenordnung rechtfertigen würde. Abweisung der Beschwerde der Beschwerdeführerin.
  • Urteil vom 6. November 2019 (2F_25/2019): Fristenwiederherstellung; verspätetes Nachreichen von Rechtsschriften als Beweismittel an das Bundesgericht; offensichtlich nicht hinreichend begründete Beschwerde; Nachsendeaufträge zuhanden der schweizerischen Post (in Form der Zurückhaltung der Postsendungen) vermögen die ordentliche postalische Abholungsfrist von sieben Tagen nicht zu verlängern. Auf eine verspätete Beschwerde ist nur einzutreten, wenn die steuerpflichtige Person nachweist, dass sie oder ihre Vertretung unverschuldet an der rechtzeitigen Einreichung verhindert war (materielle Voraussetzung) und das Rechtsmittel innert 30 Tagen nach Wegfall der Hinderungsgründe eingereicht wurde (formelle Voraussetzung). Der Nachweis einer hinreichend schweren Krankheit ist mit einem aussagekräftigen Arztzeugnis zu belegen. Das Fristwiederherstellungsgesuch wird abgewiesen. Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
  • Urteil vom 11. November 2019 (2C_257/2018, 2C_308/2018): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2001-2007 (Schwyz); vollendete Steuerhinterziehung; Den Tatbestand der vollendeten Steuerhinterziehung erfüllt, wer als steuerpflichtige Person vorsätzlich oder fahrlässig bewirkt, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterbleibt oder dass eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist. Der Tatbestand der (eventual-) vorsätzlichen Steuerhinterziehung ist erfüllt, wenn eine Gesellschaft unbegründete Zahlungen (ins Ausland) als Aufwand verbucht und Ertrag (Verkauf von Fahrzeugen) nicht verbucht, da sie mit diesem Verhalten unmittelbar eine Nicht- bzw. Unterbesteuerung hervorruft. Vorliegend hat der Aktionär mit Wirkung für die Gesellschaft Steuern hinterzogen (Steuerverkürzung). Einkünfte des Aktionärs aus Provisionen für die Vermittlung von Hypotheken dürfen vorliegend nicht in die Bemessung der Steuerbusse einfliessen. Die Beschwerde der Steuerpflichtigen wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz wird aufgehoben und die Sache zur neuen Festsetzung der Steuerbussen zurückgewiesen. Die Beschwerden der Verwaltung und der Steuerverwaltung des Kantons Schwyz werden abgewiesen.
  • Urteil vom 11. November 2019 (2C_1067/2017): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2001-2007 (Schwyz); Nachsteuerverfahren betreffend die voranstehenden Entscheide 2C_257/2018, 2C_308/2018 (Steuerstrafverfahren). Es ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Verzugszinsen auf die Nachsteuer in der Steuerperiode der Nachsteuerveranlagung (Solothurner Modell) statt in der nachsteuerbetroffenen Ursprungsperiode (Genfer Modell) berücksichtigt wurden. Die eingetretene Veranlagungsverjährung (Steuerperioden 2002 und 2003) ist als materiellrechtliche Frage von Amtes wegen zu berücksichtigen; in diesem Punkt wird die Beschwerde gutgeheissen. Weiter sind Vermittlungsprovisionen von rund CHF 24'000 zu Unrecht aufgerechnet worden, da vorliegend von vornherein keine konkurrenzierende Tätigkeit des Alleinaktionärs aus Selbstständiger Erwerbstätigkeit vorliegen konnte; die Beschwerde ist insofern gutzuheissen. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen.
  • Urteil vom 11. November 2019 (2C_32/2018, 2C_35/2018): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2001 - 2004 (Schwyz); Nachsteuer und vollendete Steuerhinterziehung. Das Recht, die Nachsteuer festzusetzen, erlischt 15 Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, auf die sie sich bezieht. Die Strafverfolgung wegen vollendeter Steuerhinterziehung verjährt zehn Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, für welche die steuerpflichtige Person nicht oder unvollständig veranlagt wurde. Das beweisrechtliche Vorgehen der kantonalen Instanzen zieht nicht die Nichtigkeit des angefochtenen Entscheides nach sich. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz wird in Bezug auf die Nachsteuern der Steuerperioden 2002 und 2003 aufgehoben. Im Übrigen werden die Beschwerden der Verwaltung und der Steuerverwaltung des Kantons Schwyz abgewiesen.
  • Urteil vom 30. Oktober 2019 (2C_551/2019): Direkte Bundessteuer und Kantons- und Gemeindesteuern 2004–2007 (Bern); Nachsteuern; die Vorinstanz hat die Mietaufwendungen, die von einer vom Steuerpflichtigen gehaltenen Gesellschaft an deren Schwestergesellschaft ausgerichtet wurden, zu Recht nicht als geschäftsmässig begründet anerkannt und entsprechend in Anwendung der Dreieckstheorie eine geldwerte Leistung an den Steuerpflichtigen angenommen; Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 18. November 2019 (2C_872/2019): Direkte Bundessteuer und Kantons- und Gemeindesteuern 2008 (Kanton Tessin); Steuererlass; Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie der Begründungspflicht der Steuerbehörde; Beschwerde in öffentlichen Angelegenheiten; Subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Der Beschwerdeführerin wurde der Steuererlass für das Jahr 2018 verweigert. Infolgedessen rüge sie die Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie der Begründungspflicht der Steuerbehörde bis zum Bundesgericht. Da die Folgen der Verweigerung des Steuererlasses, d.h. die Bezahlung der Steuern, nicht eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S.v. Art. 87 lit. m BGG darstellen, kommt das BGer zum Schluss, dass die Beschwerde in öffentlichen Angelegenheiten nicht zulässig ist. Fraglich sei weiterhin, ob die Rüge der Beschwerdeführerin einer subsidiären Verfassungsbeschwerde unterliegt. Das BGer wies die subsidiäre Verfassungsbeschwerde mit der Begründung ab, dass es das Recht von Amtes wegen nicht anwenden könne, denn die Voraussetzungen von Art. 106 Abs. 2 BGG seien nicht erfüllt: Die Beschwerdeführerin habe keine ausreichende Rüge zur Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht in ihrer Beschwerde vorgebracht und begründet; Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.

Nichteintretensentscheide / unzulässige Beschwerden:

Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.