Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen dem 6. - 12. Februar 2023 publiziert wurden:
- Urteil vom 16. Dezember 2022 (2C_368/2022): MWST 2011–2015; die A. AG bezweckt hauptsächlich den Bau und Betrieb von Bergbahnen und Sportanlagen. Streitig ist, welche mehrwertsteuerlichen Folgen sich daraus ergeben, dass die öffentlich-rechtlichen Gläubiger in der Steuerperiode 2012 anlässlich der Sanierung bereit waren, auf ihre Forderungen gegenüber der Steuerpflichtigen zu verzichten. Für die Frage, ob ein öffentlich-rechtlicher Beitrag (Art. 18 Abs. 2 lit. a MWSTG 2009) oder ein Forderungsverzicht (Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG 2009) vorliege, ist die Natur der Forderung von zentraler Bedeutung. Es liegt auf der Hand, dass es nicht zu den Kernaufgaben einer Einwohnergemeinde zählt, die am Ort gelegene Bergbahn finanziell zu unterstützen. Folglich müssen auch im damaligen Zeitpunkt bereits öffentlich-rechtliche Ziele im Vordergrund gestanden haben. Den vorinstanzlichen Feststellungen ist zu entnehmen, dass die öffentlich-rechtlichen Darleiher namentlich auch nicht mit einer Beteiligung abgefunden wurden. Aus den Akten geht hervor, dass ohne Sanierung eine bedeutende Zahl von Arbeitsplätzen verloren gegangen wäre. Vor diesem Hintergrund hat die Vorinstanz bundesrechtskonform auf einen Mittelfluss gemäss Art. 18 Abs. 2 lit. a MWSTG 2009 geschlossen mit der Folge, dass die Vorsteuer verhältnismässig zu kürzen ist gemäss Art. 33 Abs. 2 MWSTG 2009. Abweisung der Beschwerde der steuerpflichtigen A. AG.
- Urteil vom 13. September 2022 (2C_876/2020) - zur Publikation vorgesehen: MWST 2018-2020; Vorsteuerabzug auf Rückbau-/Abbrucharbeiten; nach Aufgabe ihrer operativen Tätigkeit wollte die B. AG auf ihrer vormals operativ genutzten Fabrikliegenschaft eine Wohnüberbauung entwickeln und diese an einen Investor veräussern. Dazu hat sie das Areal im Sinne einer Zwischennutzung bis zum Beginn der Rückbauarbeiten an Dritte befristet vermietet und für die Vermietungsleistung optiert. Kurz nach Beginn der Zwischennutzung verkaufte die B. AG das Areal an die A. AG. Strittig ist vorliegend die Frage, ob die Käuferin A. AG für die Kosten im Zusammenhang mit dem Rückbau der Fabrikliegenschaft die Vorsteuern geltend machen kann. Das BVGer gelangte zum Schluss, dass für die Beurteilung des Vorsteuerabzugsrechts die mehrwertsteuerliche Qualifikation während der Phase "Betrieb" der ehemaligen Eigentümerin B. AG ausschlaggebend dafür sei, ob die A. AG Vorsteuern geltend machen kann (ein Gebäude durchläuft die folgenden Phasen: "Erstellung", "Betrieb", "Abbruch"/"Verkauf"). Da die Fabrikliegenschaft vormals durch die B. AG für mehrwertsteuerbelastete Tätigkeiten verwendet wurde, sei auch das Vorsteuerabzugsrecht der A. AG gegeben. Das BVGer stützt sich dabei im Wesentlichen auf das Urteil des BGer vom 27. Oktober 2017 (2C_166/2016) (vgl. hierzu unseren Beitrag vom 19. November 2017). Das BGer hält demgegenüber, in Übereinstimmung mit der ESTV, fest, dass nur der bisherige Eigentümer sich bei einem Rückbau auf die bisherige mehrwertsteuerliche Behandlung der Phase "Betrieb" stützen kann (hier die B. AG). Für die neue Eigentümerin (hier die A. AG) sei die vormalige Nutzung jedoch unbeachtlich, stellt aus ihrer Sicht der Rückbau doch der erste Schritt der Phase "Erstellung" dar. Bei der Phase "Erstellung" - entgegen der Phase "Abbruch/Verkauf" - sei jedoch nicht die bisherige mehrwertsteuerliche Nutzung entscheidend, sondern die künftig geplante. Da diese vorliegend in der Erstellung von nicht-optierbaren Wohnflächen besteht, ist entsprechend das Vorsteuerabzugsrecht der A. AG nicht gegeben. Auch genüge die nur temporäre (optierte) Zwischenvermietung nicht, damit der Rückbau als Phase "Abbruch/Verkauf" qualifizieren kann. Dies deshalb, weil die zeitlich limitierte Zwischenvermietung aus Sicht der A. AG noch keine eigenständige Phase "Betrieb" darstellt. Gutheissung der Beschwerde der ESTV.
- Urteil vom 27. Dezember 2022 (2C_254/2022): Grundstückgewinnsteuer 2019 (Graubünden); streitig ist, wo die Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung im Jahr 2018 ihren Wohnsitz hatte. Sie macht geltend, dass sie in den Jahren 2011 bis 2018 mit ihrem Konkubinatspartner in der (im Jahre 2019 veräusserten) Liegenschaft in U. wohnte und dort ihren Lebensmittelpunkt hatte. Für die laufenden Steuern haben die involvierten Steuerbehörden den Wohnsitz der Steuerpflichtigen jedoch stets in W. verortet, was diese mit ihren Steuererklärungen aktiv gefördert hat. Die Steuerpflichtige verhält sich daher widersprüchlich, wenn sie nunmehr im Rahmen der Veranlagung der Grundstückgewinnsteuer geltend macht, in Wahrheit in all den Jahren ihren Wohnsitz in U. gehabt zu haben. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz gestützt auf ihre eigenen Feststellungen (keine Abmeldung in W., Analyse von Bargeldbezügen an Bancomaten und Bankkartenabrechnungen, Berücksichtigung der familiären Situation) davon ausgegangen ist, die Steuerpflichtige habe ihren Wohnsitz in W. und nicht in U. gehabt. Dies hat zur Konsequenz, dass die Steuerpflichtige das Wohnsitzerfordernis für einen Aufschub der Grundstückgewinnsteuer nach Art. 44 Abs. 1 lit. a StG/GR nicht erfüllt. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 29. Dezember 2022 (2C_1019/2020): Kantons- und Gemeindesteuern 2009 (Aargau); Vorliegend ist strittig, ob zwei vom Steuerpflichtigen geltend gemachte Verluste aus Liegenschaftsverkäufen einkommenssteuerrechtlich zu berücksichtigen sind. Die Vorinstanz hat zu Recht festgestellt, dass im ersten Fall der erzielte Verkaufserlös mit dem Verkehrswert zum Zeitpunkt des Liegenschaftskaufs übereinstimmt und daher kein steuerlich abzugsfähiger Verlust vorliegt. Der beim Kauf bezahlt Mehrwert sei dabei dem Steuerpflichtigen nahestehenden Personen zugekommen. Zweitens verwehrte die Vorinstanz dem Steuerpflichtigen den anteilsmässigen Abzug eines Verlusts aus einem zusammen mit einem Geschäftspartner getätigten Liegenschaftsverkauf. Aus einem bereits im Zeitpunkt des Kaufs unterzeichneten Abtretungsvertrag gehe hervor, dass dem Steuerpflichtigen die wirtschaftliche Berechtigung am betreffenden Grundstück fehle. Diese Feststellung ist nach Ansicht des BGer zumindest nicht offensichtlich unrichtig. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
- Urteil vom 18. Januar 2023 (9C_616/2022): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2013–2014 (Zürich); Zustellfiktion; Die Vorinstanz ist zu Recht aufgrund abgelaufener Frist nicht auf das Rechtsmittel eingetreten. Werden eingeschriebene Sendungen nicht abgeholt, so gilt die Zustellfiktion. Die Steuerpflichtige macht keine Gründe für eine Fristwiederherstellung geltend und es sind auch keine ersichtlich. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
Nichteintretens- und Abschreibungsentscheide:
Korrigenda zur KW 5 - 2023 (besten Dank für den Hinweis aus der Leserschaft):
- Urteil vom 16. Januar 2023 (2C_877/2021): Direkte Bundessteuer und Kantons- und Gemeindesteuern 2016 (Genf); Streitig ist, ob die steuerpflichtige A. AG eine verdeckte Gewinnausschüttung vorgenommen hat, indem sie von ihrer Aktionärin im Jahr 2016 ein Darlehen zu einem Zinssatz von 4.35% erhielt. Die Vorinstanz ging von einer verdeckten Gewinnausschüttung aus, da der Zinssatz zu fest von den im Rundschreiben der ESTV vorgesehenen Zinssätze abweicht. Das Gericht wandte gegenüber der Beschwerdeführerin einen Zinssatz von 1.5% an (Zinssatz für einen erstrangigen Immobilienkredit). Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Vertrag den sie mit ihrem Aktionär abgeschlossen hat, ein normaler Darlehensvertrag und kein Immobiliendarlehensvertrag sei und dieser zudem einem Drittvergleich standhalte. Dieser Ansicht konnte sich das Bundesgericht nicht anschliessen, da beim Angebot des Dritten die Zinssätze nur annähernd festgelegt wurden und noch verhandelt werden muss. Diese können somit nicht den Zinssätzen des freien Marktes entsprechen. Abweisung der Beschwerde der steuerpflichtigen A. AG.
Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.