Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen dem 3 - 16. April 2023 publiziert wurden:

  • Urteil vom 21. Dezember 2022 (2C_890/2019) - zur Publikation vorgesehen: Zollabgaben-Nachforderung (ungerechtfertigte Präferenzverzollung): Streitig ist, ob die Zolldirektion für Ursprungserklärungen, die auf der Zollrechnung vermerkt sind (sog. Rechnungserklärungen), und auf denen offenbar irrtümlich die Originalunterschrift gefehlt hatte, Nachforderungen wegen ungerechtfertigt erfolgter Präferenzabfertigung erheben durfte. Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, dass das Fehlen der gültigen Rechnungserklärung den Verlust der Präferenziellen Verzollung bedeutet. Durch Auslegung von Art. 22 Abs. 8 Protokoll 3 2005 (SR 0.632.401.3) ist zu ermitteln, ob Ursprungserklärungen auf der Rechnung noch nachträglich abgegeben werden können und ggf., nach welchem Zeitlauf die Erhebung einer Nachleistung infolge unrechtmässiger Präferenzabfertigung vorliegend zulässig ist. Der Vertragswortlaut erweist sich als klar. Die Rechnungserklärungen können vom Ausführer nach deren Ausfuhr ausgefertigt werden, sofern sie im Einfuhrland spätestens zwei Jahre nach der Einfuhr der betroffenen Erzeugnisse vorgelegt werden. So bestimmt Art. 25 Prot. 3 2005 für Rechnungserklärungen, dass die Ursprungsnachweise den Zollbehörden des Einfuhrstaates nach den dort geltenden Verfahrensvorschriften vorzulegen sind. Die Aussagen der Rechtsprechung, wonach nachträgliche Präferenzverzollungen nicht möglich sind, beziehen sich jedoch entgegen der Vorinstanz auf Konstellationen, in denen es um die Überprüfung der Ursprungsnachweise auf Begehren des Einfuhrlandes oder um den nachträglichen Antrag auf eine Präferenzverzollung ging, indessen keine Ursprungsnachweise vorlagen. Im Gegensatz zu den bereits beurteilten Fällen erfolgten die Anmeldung und die Verzollung vorliegend von Beginn weg präferenziell. Bei der nachträglichen Kontrolle wurde festgestellt, dass gültige Ursprungserklärungen auf der Rechnung fehlten. Genau solche Rechnungserklärungen dürfen nachträglich vorgelegt werden. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit der systematischen Stellung. Der in Art. 25 Prot. 3 2005 enthaltene Vorbehalt rechtfertigt keine Abweichung von konkreten, ausdrücklichen Normen wie Art. 22 Abs. 8. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist mit der im schweizerischen Zollrecht vorgesehenen Möglichkeit der provisorischen Veranlagung den Erfordernissen von Art. 22 Abs. 8 nicht Genüge getan. Ursprungserklärungen auf Rechnungen für Werte unter EUR 6'000 dürfen vom Ausführer nach deren Ausfuhr ausgefertigt werden, sofern sie im Einfuhrland spätestens zwei Jahre nach der Einfuhr der betroffenen Erzeugnisse vorgelegt werden. Ursprungsnachweise sind während 4 Monaten nach Datum der Ausstellung im Ausfuhrland gültig. Danach verlieren sie ihre Gültigkeit, selbst wenn die Zweijahresfrist von Art. 22 Abs. 8 Prot. 3 2005 noch läuft. Die Bestimmung von Art. 22 Abs. 8 Prot. 3 2005 ist anzuwenden, auch wenn das nationale Recht eine entsprechende nachträgliche präferenzielle Verzollung nicht vorsieht. Gutheissung der Beschwerde des Abgabepflichtigen und Rückweisung an die EZV zur Neubeurteilung.
  • Urteil vom 13. März 2023 (9C_640/2022): Kantonale Steuern 2014-2018 (Tessin); streitig war die Versagung eines (vollständigen) speziellen kantonalen Abzugs für Kinder in nachobligatorischer Aus- oder Weiterbildung. Die Kinder studierten dabei in Spanien lebten in einer Liegenschaft der Eltern vor Ort. Die Anwendung der Regelungen durch die Vorinstanz war nicht willkürlich oder anderweitig verfassungswidrig. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 13. März 2023 (9C_644/2022): Grundstückgewinnsteuer (Graubünden); Die Vorinstanz hat bei der Beurteilung, ob eine Immobiliengesellschaft vorliegt, zu Recht auf den Veräusserungszeitpunkt der entsprechenden Aktien abgestellt. Die Grundstückgewinnsteuerpflicht wurde somit rechtmässig bejaht. Auch die gerügte Festlegung der Anlagekosten ist nicht willkürlich. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 14. März 2023 (9C_611/2022): Staats- und Gemeindesteuern 2016 (Zürich); Der Erblasser hinterliess seine Ehefrau, drei Kinder und mehrere Liegenschaften im Kanton Zürich. Die Kinder verlangten im Rekursverfahren gegen die Veranlagung des Erblassers, dass fünf Liegenschaften gestützt auf ein Verkehrswertgutachten und mit Blick auf die erbrechtliche Auseinandersetzung höher bewertet werden. Vor BGer streitig und zu prüfen war, wie sich die Beschwerdebefugnis (Legitimation) der drei Kinder im Verfahren vor dem Steuerrekursgericht verhalten hat. Das BGer schützt die Auffassung der Vorinstanz, wonach die steuerrechtliche Bewertung eine erbrechtliche Auseinandersetzung grundsätzlich nicht präjudiziert. Zudem soll das Steuerverfahren nicht zur zivilrechtlichen Durchsetzung von erbrechtlichen Ansprüchen zweckentfremdet werden. Ein schutzwürdiges steuerrechtliches Interesse war damit zu verneinen, weshalb das Rechtsmittel für die Erbengemeinschaft nicht rechtswirksam ergriffen werden konnte. Abweisung der Beschwerde der Kinder des Erblassers.
  • Urteil vom 15. März 2023 (9C_615/2022): Staats- und Gemeindesteuern und direkte Bundessteuer 2017 (Thurgau); Ausgelöst durch Meldung der juristischen Abteilung, eröffnete die Steuerverwaltung ein Nachsteuerverfahren und nahm verschiedene Aufrechnungen im Vermögen und Einkommen des Steuerpflichtigen vor. Vor BGer strittig und zu prüfen war, ob die Aufrechnungen zu Recht erfolgt sind. Der Steuerpflichtige konnte mit seinen pauschalen Äusserungen nicht nachweisen, inwiefern die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind. Das BGer schützt das Urteil der Vorinstanz. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 13. Oktober 2022 (2C_643/2021): Direkte Bundessteuer 2017 (Thurgau); gewerbsmässiger (Quasi-) Liegenschaftenhändler; Vorliegend haben die Steuerbehörden den Grundstückgewinn nicht willkürlich vom privaten, steuerfreien Kapitalgewinn in steuerbaren Ertrag aus selbständiger Erwerbstätigkeit umqualifiziert. Die verkaufte Liegenschaft wurde nur 5.5 Jahre gehalten, war zu 75% fremdfinanziert und das Ehepaar investierte viel Zeit und ihr erworbenes Fachwissen in die Planung und Wertsteigerung ihrer sechsten Kapitalanlageliegenschaft, was über eine übliche private Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Steuerpflichtigen konnten nicht nachweisen, inwiefern die Sachverhaltsfeststellung willkürlich oder die rechtlichen Würdigungen bundesrechtswidrig seien. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 17. März 2023 (9C_678/2021) – zur Publikation vorgesehen: Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2015 (Nidwalden); Eine AG erwarb in Deutschland eine Hotelliegenschaft. Der Grossteil des Kaufpreises entfiel auf ein Erbbaurecht, das die Alleinaktionärin als Erbbauberechtigte der AG verkaufte. Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Hotelliegenschaft übernahm die AG von der Alleinaktionärin Hypothekarschulden. Die aus dieser Schuldübernahme stammende Regressforderung gegen die Alleinaktionärin verrechnete die AG (teilweise) mit der Forderung der Alleinaktionärin aus der Baurechtsübertragung. Die AG bilanzierte die Liegenschaft aktivseitig (weit) unter dem Anschaffungswert und verbuchte entsprechend die übernommene Hypothekarschuld passivseitig nicht oder nur teilweise. Später hat die Alleinaktionärin die Hypothekarschuld unentgeltlich von der AG wieder übernommen. Die Liegenschaft wurde schliesslich im Zuge der Liquidation der AG verkauft. Das Kantonale Steueramt rechnete die Differenz zwischen Verkaufserlös und Buchwert, als Liquidationsgewinn aus verdeckten Kapitaleinlagen, bei der Alleinaktionärin als Einkommen auf. Vor BGer stellten sich materiell-rechtlich die Fragen, ob die unentgeltliche Schuldübernahme durch die Alleinaktionärin zu Recht als verdeckte Kapitaleinlage charakterisiert wurde und ob die Ausschüttung von verdeckten Kapitaleinlagen von der Vorinstanz gestützt auf Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG zu Recht für steuerbar befunden wurde. Das BGer kam zum Schluss, dass es sich bei der Schuldübernahme ohne Gegenleistung durch die Alleinaktionärin um eine Kapitaleinlage i.S.v. Art. 20 Abs. 3 DBG handelte. Weil die AG die Befreiung von der Hypothekarschuld durch die Alleinaktionärin nicht in ihren Büchern abgebildet hatte, lag eine verdeckte Kapitaleinlage vor. Entgegen der Auffassung der ESTV (Kreisschreiben Nr. 29c vom 23. Dezember 2022) können gemäss BGer auch verdeckte (nicht nur separat ausgewiesene, d.h. offene) Kapitaleinlagen nach Art. 20 Abs. 3 DBG steuerfrei zurückbezahlt werden. Das BGer betonte aber, dass dies nur für die Einkommenssteuer und aufgrund des ausdrücklichen Gesetzeswortlauts von Art. 5 Abs. 1bis VStG nicht auch für die Verrechnungssteuer gelte. Gutheissung der Beschwerde der Alleinaktionärin.
  • Urteil vom 20. März 2023 (9C_720/2022): Kantons- und Gemeindesteuern 2012 (Aargau); Einkauf Pensionskasse; Die Vorinstanz hat denselben BVG-Einkaufsbetrag doppelt einerseits beim Reingewinn der Erfolgsrechnung und andererseits unter der Rubrik «Aufrechnung verbuchte BVG-Höhereinkäufe» aufgerechnet. Damit hat sie den Sachverhalt offensichtlich falsch festgestellt. Gutheissung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 20. März 2023 (9C_721/2022): Kantons- und Gemeindesteuern 2013 (Aargau); Der Einkauf in die 2. Säule des selbständigen Architekts A wurde doppelt, einmal in seiner Steuererklärung und ein zweites Mal in seiner Erfolgsrechnung, aufgerechnet; Gutheissung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 21. März 2023 (9C_106/2023): Grundstückgewinnsteuer (Graubünden); Das Betreibungs- und Konkursamt hat am 20. Mai 2019 eine Liegenschaft freihändig an die Beschwerdeführerin verkauft. Nachdem der vorherige Eigentümer der Liegenschaft die Grundstückgewinnsteuer nicht bezahlt hatte, gab die Steuerverwaltung ihm die Möglichkeit, diese in Raten bis zum 30. Juni 2024 zu begleichen. Da der vollständige Steuerbetrag bis am 10. Juni 2021 nicht geleistet war, liess die Steuerverwaltung ihr gesetzliches Pfandrecht eintragen. Dieses Vorgehen der Steuerverwaltung wurde von der Vorinstanz gutgeheissen. Es gelingt der Beschwerdeführerin nicht darzulegen, inwiefern die Vorinstanz dabei gegen das Willkürverbot, das Legalitätsprinzip oder Treu und Glauben verstossen hat. Abweisung der Beschwerde der Grundstückseigentümerin.
  • Urteil vom 27. März 2023 (9F_3/2023): Staats- und Gemeindesteuern und direkte Bundessteuer 2016 (Waadt); Revision; Die Beschwerdeführerin vermag nicht darzulegen, welche Tatsachen das Bundesgericht im Rahmen des Nichteintretensentscheids 9C_681/2022 vom 25. Januar 2023 übersehen hat. Abweisung des Revisionsbegehrens.
  • Urteil vom 20. März 2023 (2C_354/2022): Staats- und Gemeindesteuern Basel-Stadt und direkte Bundessteuer 2017; strittig ist die Ausscheidung von Unterhaltsbeiträgen im Verhältnis Schweiz-Deutschland; die Unterhaltsbeiträge von A an seine frühere Ehefrau wurden, aufgrund des Wohnsitzes und Erwerbstätigkeit seiner jetzigen Ehefrau in Deutschland, im Verhältnis der Nettoeinkommen ausgeschieden; gem. BGer sind Unterhaltsbeiträge allgemeine Abzüge, die vorliegend keinen direkten Zusammenhang mit einer bestimmten Einkommenserzielung aufweisen, weshalb die proportionale Verteilung nach Lage des Reineinkommens sachgerecht war; Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 13. März 2023 (9C_603/2022): Kantonale Steuern 2012-2015 (Genf); Das steuerbare Eigenkapital des Anlagefonds mit direktem Grundbesitz wurde zu Recht entsprechend den Vorschriften zur Vermögensbesteuerung und unter Anwendung der steuerrechtlichen Bewertungsregeln statt gemäss der KAG-Buchhaltung festgelegt. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.

Nchteintretens- und Abschreibungsentscheide:

Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.