Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesverwaltungsgerichts, die in den Wochen vom 2. - 22. Juli 2018 publiziert wurden.

  • Urteil vom 2. Juli 2018 (A-713/2017): Mehrwertsteuer (MWST); Vergütung der MWST vom 1. Januar - 31. Dezember 2012; umstritten war die Vergütung der Mehrwertsteuer gemäss Art. 107 Abs. 1 lit. b MWSTG der in Deutschland ansässigen GmbH (Beschwerdeführerin). Abweisung des Vergütungsantrags der Beschwerdeführerin, da insgesamt die telefonisch erbrachten Lebensberatungsdienstleistungen nicht der Beschwerdeführerin sondern einer Einzelunternehmung mit Sitz in der Schweiz zuzuordnen waren (mit welcher die Beschwerdeführerin Geschäftsbeziehungen unterhielt). Daher ist die indirekte Stellvertretung gemäss Art. 20 Abs. 3 MWSTG ausgeschlossen (E. 3.3). Das Vorsteuervergütungsverfahren setzt voraus, dass der ausländische Abnehmer im Inland mehrwertsteuerbelastete Leistungen bezieht, was vorliegend nicht erfüllt war, da die Einzelunternehmung keine Leistungen an die Beschwerdeführerin sondern an Dritte erbrachte und mangels erfolgter Leistung an die Beschwerdeführerin keine Mehrwertsteuer hätte fakturieren dürfen. Eine Vorsteuervergütung wird gemäss Verwaltungspraxis ausgeschlossen, wenn die Leistung irrtümlich mit inländischer Mehrwertsteuer fakturiert wurde bzw. bei einer gesetzeskonformen Qualifikation der Leistung oder des Ortes der Leistung keine inländische Mehrwertsteuer zu entrichten gewesen wäre (E. 2.6.2 und 3.4). Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 2. Juli 2018 (A-416/2017): Verrechnungssteuer (Meldeverfahren); umstritten war die Zulässigkeit des Meldeverfahrens für geldwerte Leistungen in den Steuerperioden 2010 und 2011. Die Beschwerdeführerin hatte in den Steuerperioden 2010 und 2011 geldwerte Leistungen an den zu 59% (über zwei weitere Konzerngesellschaften) indirekt beteiligten Grossmutteraktionär A erbracht, welche er nicht vollständig in den Steuererklärungen 2010 und 2011 deklariert hatte. Der Grossmutteraktionär hat in den beiden Steuerperioden jeweils CHF 10‘000 Privatanteil deklariert, obwohl in der Steuerperiode 2010 geldwerte Leistungen von insgesamt CHF 41‘600 und in der Steuerperiode 2011 geldwerte Leistungen von insgesamt CHF 35‘775 festgestellt wurden. Die Beschwerdeführerin stellte sich auf den Standpunkt, dass die ordnungsgemässe Deklaration der geldwerten Leistungen vorgenommen wurde und rein rechnerische Korrekturen gemäss dem KS Nr. 40 der ESTV noch nicht zu einer Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs führen würden. Das Bundesverwaltungsgericht erwog, dass eine rein rechnerische Korrektur zu verneinen ist, da die immer gleich deklarierten Privatanteile den unterschiedlich festgestellten und umschriebenen geldwerten Leistungen nicht entsprechen würden und wesentliche Änderungen unberücksichtigt liessen (E. 5.3.1). Da die Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs nicht ausgeschlossen werden konnte, hat das Bundesverwaltungsgericht der Vorinstanz folgend lediglich das Meldeverfahren auf den jeweils CHF 10‘000 deklarierten Privatanteilen bewilligt, auf den übrigen geldwerten Leistungen war die Verrechnungssteuer zuzüglich Verzugszins geschuldet. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.

Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts im Bereich der Amtshilfe:

  • Urteil vom 29. Juni 2018 (A-5859/2017): Amtshilfe (DBA Schweiz - Niederlande); umstritten war die Amtshilfeleistung zur korrekten Erhebung der niederländischen Einkommenssteuer beim Beschwerdeführer gestützt auf das DBA CH-NL. Der Beschwerdeführer behauptete, die ESTV habe sein rechtliches Gehör verletzt, indem sie ihm im vorinstanzlichen Verfahren keine vollständige Akteneinsicht gewährt habe. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Verletzung der aus dem Akteneinsichtsrecht fliessenden Pflicht zur Orientierung der Aktenlage, da die ESTV den Beschwerdeführer nicht über den Beizug der einzig auf dem mit der Vernehmlassung eingereichten USB-Stick gespeicherten Aktenstücke informierte. Dieser Mangel wurde aber geheilt, da die zu Unrecht verweigerte Akteneinsicht nachträglich gewährt und dem Beschwerdeführer eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde. Da das Bundesverwaltungsgericht bei den sich vorliegend stellenden Sach- und Rechtsfragen über umfassende Kognition verfügt, dem Beschwerdeführer dieselben Mitwirkungsrechte wie vor der ESTV zustehen und eine wegen Gehörsverletzung erfolgende Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und unnötigen Verzögerungen führen würde, ist im Sinne einer Heilung des Mangels praxisgemäss von einer Rückweisung an die Vorinstanz abzusehen. Dies gilt ohne Rücksicht auf den Schweregrad der Gehörsverletzung (E. 5.1.2). Die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, dass der Gegenstand und Steuerzweck des Ersuchens nicht hinreichend bestimmt, das Subsidiaritätsprinzip nicht eingehalten worden sowie die voraussichtliche Erheblichkeit nicht gegeben sei, erachtete das Bundesverwaltungsgericht als nicht hinreichend begründet. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 7. Juni 2018 (A-2454/2017): Amtshilfe (DBA Schweiz - Indien); umstritten war die Leistung von Amtshilfe gestützt auf das DBA CH-Indien betreffend die Gesellschaft X (Beschwerdeführerin). Das indische Ministry of Finance (MoF) hegte aufgrund im Amtshilfeersuchen näher dargelegter Gründe den Verdacht, die Beschwerdeführerin habe ihr eigenes Geld gewaschen. Es führte aus, dass das Einschätzungsverfahren in Indien zwar bereits abgeschlossen und zudem die Verjährung eingetreten war, jedoch nun ein Strafverfahren nach indischem Einkommenssteuergesetz eingeleitet worden sei. Die Informationen, um die ersucht werde, seien im Strafverfahren und auch in anderen Verfahren betreffend das indische Einkommenssteuergesetz von Nutzen. Die ESTV kam zum Schluss, dem MoF im gewünschten Umfang Amtshilfe zu leisten, worauf die Gesellschaft Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegte. Gemäss den Erwägungen des Bundesverwaltungsgericht enthält das DBA CH-IN zwei signifikante Abweichungen vom OECD-MA: Einerseits verweist Art. 26 DBA CH-IN darauf, dass Amtshilfe nur für unter das Abkommen fallende Steuern geleistet wird; andererseits werden in Art. 2 DBA CH-IN Zinsen und Strafsteuern explizit vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen (E. 2.1.4.1). Somit darf gestützt auf Art. 26 DBA CH-IN keine Amtshilfe einzig für die Verfolgung von Geldwäscherei geleistet werden und das MoF ist auf den Weg der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen zu verweisen (E. 3.1). Zudem konnte das MoF auf deutlich formulierte Nachfrage der ESTV nicht ausreichend darlegen, warum die Informationen trotz Verjährung noch erheblich seien und für welche weiteren Verfahren die ersuchten Informationen verwendet würden. Somit darf dem MoF keine Amtshilfe geleistet werden (E. 3.8). Gutheissung der Beschwerde der Steuerpflichtigen. Der Entscheid wurde beim Bundesgericht angefochten.

Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.