Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die zwischen dem 1. - 7. Mai 2023 publiziert wurden:

  • Urteil vom 12. April 2023 (9C_674/2022): Staats- und Gemeindesteuern 2015 - 2018 (Wallis); Der Verein A. ist im Kanton Wallis beschränkt steuerpflichtig. Streitig ist, ob die Veranlagungsentscheide 2015 – 2018 der Walliser Steuerverwaltung nachträglich revisionsweise hätten abgeändert werden müssen, da die Genfer Steuerverwaltung dem Verein A. am 14. Januar 2020 eine Steuerbefreiung gewährte. Das BGer kam zum Schluss, dass der Verein A. im Veranlagungsverfahren für die Jahre 2015 – 2017 keinen Steuerbefreiungsgrund geltend gemacht und sich auch nicht vorgängig an die Walliser Steuerverwaltung gewandt hat. Es wäre Sache des Vereins A. gewesen eine Steuerbefreiung im ordentlichen Verfahren geltend zu machen. In Bezug auf die Steuerperiode 2018 teilte die Walliser Steuerverwaltung dem Verein A. mit, dass es Sache der Genfer Steuerverwaltung sei, zu prüfen, ob der Verein A. die Bedingungen für eine Steuerbefreiung erfüllt. Damit hat die Steuerverwaltung klar zum Ausdruck gebracht, dem Verein A. keine vollständige Steuerbefreiung zu gewähren. Abweisung der Beschwerde des Vereins A.
  • Urteil vom 12. April 2023 (9C_689/2022): Quellensteuer; Nachsteuern und Bussen wegen Steuerhinterziehung 2008-2013 (Genf); Das Verfahren befindet sich bereits im zweiten Rechtsgang vor Bundesgericht (vgl. zum ersten Rechtsgang das Urteil vom 27. April 2021 (2C_60/2020) bzw. unseren Beitrag vom 16. Mai 2021). Vorliegend wird der steuerpflichtigen A. AG vorgeworfen, dass sie die Einkünfte der bei ihr angestellten und quellensteuerpflichtigen Ärzte nicht annualisiert hat, um den anzuwendenden Steuersatz zu ermitteln und dass sie die Quellensteuer auf Barzahlungen von Patienten nicht abgerechnet hat. Das BGer kommt zum Schluss, dass hinsichtlich der Barzahlungen ein Nachsteuergrund sowie eine Steuerhinterziehung zu bejahen ist. In Bezug auf den Vorwurf der fehlenden Annualisierung fehlt es hingegen im alten Quellensteuerrecht an der gesetzlichen Grundlage. Die Beschwerde der Steuerpflichtigen wird daher teilweise gutgeheissen. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache an die Steuerverwaltung zurückgewiesen, damit diese die Nachsteuern und Bussen neu berechnet. Zu diesem Zweck muss sie die Quellensteuerbeträge neu berechnen, die auf dem gesamten Bruttogesamteinkommen zu erheben sind, das jeder Arzt in jeder strittigen Steuerperiode erzielt hat, ohne dass das Einkommen für die Bestimmung des Steuersatzes auf Jahresbasis umgerechnet wird. Die nachzuentrichtenden Quellensteuerbeträge entsprechen der positiven Differenz zwischen den so neu berechneten Steuerbeträgen und den von der Steuerpflichtigen erhobenen Beträgen. Die Bussen für die Hinterziehung von Quellensteuern werden anschliessend neu berechnet, so dass sie einem Drittel der hinterzogenen Beträge entsprechen. Sobald die Nachsteuerbeträge feststehen, muss die Steuerverwaltung auch prüfen, inwieweit die Quellensteuerbeträge bereits von den betroffenen Ärzten eingefordert wurden. Ist dies der Fall und sind die den Ärzten eröffneten Rückforderungsentscheide bereits rechtskräftig, so muss sie die entsprechenden Beträge von den von der Steuerpflichtigen nachgeforderten Beträgen abziehen, um eine Doppelbelastung zu vermeiden. Sind die den Ärzten zugestellten Entscheide hingegen noch nicht rechtskräftig, kann die kantonale Verwaltung die betreffenden Beträge ausschliesslich bei der Steuerpflichtigen einfordern, um eine doppelte Belastung zu vermeiden. Diese Lösung ist dadurch gerechtfertigt, dass nur die Steuerpflichtige rechtlich für die Zahlung der Quellensteuer verantwortlich ist.
  • Urteil vom 19. April 2023 (9C_634/2022): Amtliche Bewertung (Graubünden); die Vorinstanz hat den rechtserheblichen Sachverhalt in mehrfacher Hinsicht offensichtlich unrichtig festgestellt. Zudem weist das angefochtene Urteil zahlreiche formelle Mängel auf. Das Urteil des VGer Graubünden wird aufgehoben und die Sache zum Neuentscheid im Sinne der Erwägungen an das VGer Graubünden zurückgewiesen. Gutheissung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 24. März 2023 (9C_656/2022): Staats- und Gemeindesteuern 2011, 2013 und 2014 (Aargau): Vorliegend fehlt es an Anhaltspunkten, aufgrund derer die angefochtenen Ermessensveranlagungen aus inhaltlichen Gründen ausnahmsweise als nichtig zu beurteilen wären. Ebenso wenig sind gravierende Verfahrensfehler ersichtlich, weshalb die Ermessensveranlagungen für die Staats- und Gemeindesteuern 2011, 2013 sowie 2014 in ihrem Bestand nicht in Frage zu stellen sind. Bei diesem Ergebnis können auch die von den Beschwerdeführern im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingereichten Steuererklärungen nicht mehr berücksichtigt werden. Der Unrichtigkeitsnachweis bzw. das Nachholen der versäumten Mitwirkungshandlungen wäre ihnen im ordentlichen Rechtsmittelverfahren und namentlich innerhalb der Einsprachefrist offen gestanden. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.
  • Urteil vom 31. März 2023 (2D_53/2020, 2D_25/2021) - zur Publikation vorgesehen: Ausrichtung von Beiträgen aus den Erträgen der Kurtaxen (Wallis); Die A. AG sah das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV als verletzt an, da ihr im Gegensatz zu ihrer direkten Konkurrentin B. AG keine Beiträge an die Infrastruktur-Fixkosten für den Betrieb ihres Thermalbads ausgerichtet wurden. Ungeachtet davon, dass die B. AG teilweise öffentliche Aufgaben im Tourismusbereich ausübt und die Gemeinden an ihr beteiligt sind, übt die B. AG in Bezug auf den Betrieb ihres Thermalbads eine privatwirtschaftliche Aufgabe aus; die Ausrichtung des gesamten Kurtaxenertrags an die B. AG verletzt daher das Gleichbehandlungsgebot. Gutheissung der Beschwerde der A. AG und Rückweisung an die Vorinstanz zur Ermittlung der Höhe der an die A. AG auszurichtenden Beiträge.
  • Urteil vom 20. April 2023 (9C_613/2022): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2017 (Zürich); Eine Vorsorgelösung, welche von Anfang an keine Kollektivität und Solidarität beabsichtigt, dient nicht der beruflichen Vorsorge, sondern der (individuellen) Selbstvorsorge. Von virtueller Kollektivität kann nur gesprochen werden, wenn auch rechtsgenüglich nachgewiesen ist, dass realistischerweise in Zukunft einmal mindestens eine weitere Person die Bedingungen erfüllen kann, um in den "1e-Vorsorgeplan" aufgenommen zu werden. Das Reglement ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung hierzu. Vorliegend konnte der rechtsgenügliche Nachweis zur virtuellen Kollektivität nicht erbracht werden. Folglich sind die gemachten Zuwendungen der Pflichtigen an die Stiftung in der Höhe von CHF 128'404 nicht als geschäftsmässig begründete Aufwendungen zuzulassen. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.

Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.