Übersicht über die steuerrechtlichen Entscheide des Schweizer Bundesgerichts, die in der Woche vom 29. Juli - 4. August 2019 publiziert wurden.

  • Urteil vom 11. Juli 2019 (2C_993/2018): Direkte Bundessteuer und Kantons- und Gemeindesteuern 2005 - 2008 (Waadt); Steuerumgehung; die Voraussetzungen der Steuerumgehung sind im konkreten Fall erfüllt. Auf der einen Seite legt ein überschuldetes Unternehmen, dessen Zweck es war, ein Hardwaregeschäft zu betreiben, eine unrentable Tätigkeit nieder, um eine rentable Tätigkeit, eine Apotheke, zu übernehmen. Andererseits verkauft eine individuell geführte Apotheke alle ihre Vermögenswerte und Verbindlichkeiten an eine verlustbringende Gesellschaft. Aus wirtschaftlicher Sicht bedeutet eine solche Transaktion, den Gläubigern der defizitären Aktiengesellschaft das Vermögen zur Verfügung zu stellen, das sich aus der individuell ausgeübten Gewinntätigkeit ergibt, die bisher direkt vom Gesellschafter der genannten Gesellschaft gehalten wurde. Im Normalfall wird ein Gewerbetreibender jedoch eher versuchen, die Elemente seines persönlichen Vermögens und das Ergebnis seiner Tätigkeit zu schützen, die er aufgrund der individuellen Kontrolle der Gläubiger der Aktiengesellschaft, deren Hauptaktionär er gleichzeitig ist, ausübt. Eine Konstruktion, die zum gegenteiligen Effekt führt, ist wirtschaftlich gesehen sinnlos. Die von der Klägerin und ihrem Aktionär festgelegte Rechts- und Rechnungslegungsstruktur wäre niemals zwischen unabhängigen Parteien durchgeführt worden (E. 7.2). Die Beschwerde der Steuerverwaltung des Kantons Waadt wird gutgeheissen.
  • Urteil vom 15. Juli 2019 (2C_63/2019): Quellensteuer (Genf); Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist; Revision; die Revision ist ausgeschlossen, wenn der Antragssteller als Revisionsgrund vorbringt, was er bei der ihm zumutbaren Sorgfalt schon im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können (Art. 147 Abs. 2 DBG). Vorliegend wäre es dem  Beschwerdeführer bereits im ordentlichen Veranlagungsverfahren des Jahres 2011 zumutbar gewesen, darzulegen, dass er für den Unterhalt seiner volljährigen Tochter aufkommt, welche derzeit noch Studentin gewesen ist. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen wird abgewiesen soweit darauf einzutreten ist.
  • Urteil vom 12. Juli 2019 (2C_359/2019): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2010-2012 (Zürich); zu prüfen war die Festsetzung der Steuerfaktoren der  Einkünfte aus Verwaltungsratshonoraren sowie die Anrechnung des Eigenmietwerts für eine Wohnung und die Nichtanerkennung eines Schuldzinsenabzugs; die Beschwerde erweist sich sowohl hinsichtlich der Verwaltungsratshonorare (keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz) , hinsichtlich des Eigenmietwerts (nicht bewohnen einer Wohnung mit Option zum jederzeitigen Eigengebrauch = zum Eigengebrauch zur Verfügung stehen), wie auch betreffend des Schuldzinsenabzugs (unzureichender Nachweis einer tatsächlichen Bezahlung) als offensichtlich unbegründet und wird abgewiesen.
  • Urteil vom 17. Juli 2019 (2C_87/2019): Steuerhoheit ab 1. Januar 2015 (St. Gallen); Wochenaufenthalter in Zürich (Arbeitsort), angemeldet im Kanton St. Gallen; umstritten ist der Ort, an dem sich das Hauptsteuerdomizil des Wochenaufenthalter (Beschwerdegegner) ab dem 1. Januar 2015 befindet; der massgebliche Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmt sich nach der Gesamtheit der objektiven, äusseren Umstände, aus denen sich diese Interessen erkennen lassen. Das Bundesgericht führt diesbezüglich aus: «Die Beziehungen unverheirateter Personen zum Arbeitsort treten praxisgemäss in den Vordergrund, wenn die Person das dreissigste Altersjahr überschritten hat und/oder sich seit mehr als fünf Jahren ununterbrochen am selben auswärtigen Ort aufhält. Liegt zumindest eines der beiden Kriterien vor, begründet dies die natürliche Vermutung, der Lebensmittelpunkt befinde sich am Ort der Erwerbstätigkeit bzw. des Wochenaufenthalts.» (E. 3.2.2.) Die kantonale Vorinstanz hielt diesbezüglich allerdings fest, dass «die Entkräftung der natürlichen Vermutung des Hauptsteuerdomizils nicht einen lückenlosen Nachweis voraus[setzt]. Es müsse genügen, wenn Anhaltspunkte für den Wochenendwohnort in einer Weise nachgewiesen würden, die derart gewichtig und überzeugend seien, dass sie die Domizilvermutung entkräften könnten.» (E. 4) Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass gestützt auf die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz eine sachverhaltlich andere Ausgangslage vorliegt, als in den typischen Fallkonstellationen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. «Zusammenfassend ergibt sich, dass es dem Beschwerdegegner trotz seines Alters und der Dauer seines Aufenthalts gelingt, die natürliche Vermutung zu entkräften, wonach sich der Lebensmittelpunkt am Ort seines Wochenaufenthalts befindet. Der Beschwerdegegner legt hierzu stichhaltig dar, dass mit Blick auf die wöchentliche, dreitägige Rückkehr nach U. [...] , die enge familiäre Beziehung sowie die Freizeit- und Vereinsaktivitäten sein faktischer Mittelpunkt der Lebensinteressen in U. [...] lag. Dem Steueramt gelingt es nicht, den gegenteiligen Nachweis - namentlich unter Hinweis auf seine Wohnverhältnisse und die Partnerschaft - zu erbringen. Letztlich kann dem Beschwerdegegner auch nicht entgegengehalten werden, er sei in U. [...] politisch nicht tätig. Unter Würdigung der Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls ist die Vorinstanz zu Recht zum Schluss gekommen, dass sich keine Steuerhoheit des Kantons Zürich ergibt. Die Beschwerde des kantonalen Steueramt Zürich wird abgewiesen.
  • Urteil vom 12. Juli 2019 (2C_426/2019): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2011 (Bern); die im Jahre 1996 gebildete Rückstellung von CHF 1‘000‘000, welche im Hinblick auf das unbewegliche Vermögen gebildet wurde (der damals einzige Aktivposten in der Höhe von CHF 3'281'975) ist im Jahre 2008, mit dem Verkauf von zwei bebauten Grundstücken, nicht mehr geschäftsmässig begründet. An dieser Tatsache ändert auch nicht, dass die Steuerbehörde schon früher hätte kundtun können, dass die Rückstellung nicht (mehr) begründet und daher aufzulösen sei. Im Abgaberecht haben (nur) die Steuerfaktoren an der Rechtskraft teil. Die tatsächlichen und die rechtlichen Verhältnisse, auf denen die rechtskräftige Veranlagungsverfügung beruht, können zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit abweichend beurteilt werden (BGE 140 I 114 E. 2.4.3 S. 120; Urteil 2C_551/2018 vom 11. Juni 2019 E. 2.2.5). Die Beschwerde des Steuerpflichtigen wird abgewiesen.
  • Urteil vom 12. Juli 2019 (2C_581/2019): Steuerperiode 2017, Ordnungsbusse (Zürich); Ordnungsbusse in Höhe von CHF 100.- wegen nicht fristgerechten Einreichens der Steuererklärung für die Steuerperiode 2017; Streitgegenstand war jedoch ausschliesslich die Zulässigkeit des von der Vorinstanz geforderten Kostenvorschusses; auf den Antrag auf Aufhebung der Ordnungsbusse sowie die übrigen (nicht sachbezogenen) Vorbringen des Beschwerdeführers konnte deshalb nicht eingetreten werden; die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
  • Urteil vom 16. Juli 2019 (2C_607/2019): Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern 2012 -2016 (Wallis); der Präsident der Kantonalen Steuerrekurskommission des Kantons Wallis hat mit Beschluss vom 9. Mai 2019 die von den Beschwerdeführern für die Steuerperioden 2012 bis 2016 eingereichte Beschwerde für unzulässig erklärt, weil die Zahlung des Kostenvorschusses für die Verfahrenskosten nicht fristgerecht erfolgt ist. Mit Schreiben vom 15. März 2019 an ihren Rechtsvertreter hatte die Behörde den Steuerpflichtigen eine Frist bis zum 23. April 2019 für die Zahlung des Vorschusses von CHF 1‘000 Franken mit dem Hinweis gesetzt, dass eine nicht fristgerechte Zahlung zur Unzulässigkeit der Beschwerde führen würde. Dieses Vorgehen verstösst nicht gegen das Verbot des überspitzten Formalismus, das Verhältnismässigkeitsprinzip und den Anspruch auf rechtliches Gehör; die Beschwerde der Steuerpflichtigen wird abgewiesen.

Nichteintretensentscheide / unzulässige Beschwerden:

Die Auflistung der Entscheide erfolgt chronologisch anhand des Publikationsdatums.