Der Bundesrat am 11. März 2022 beschlossen, dass das OECD/G20-Projekt zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft in der Schweiz mit einer Verfassungsnorm und mit Übergangsbestimmungen etappenweise umgesetzt werden soll. Die entsprechende Vernehmlassung dauert bis zum 20. April 2022.

Im Herbst 2021 hat die OECD einen 2-Säulen-Ansatz zur künftigen Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft veröffentlicht (siehe hierzu unseren Beitrag vom 9. Oktober 2021). Säule 1 sieht erweiterte Besteuerungsrechte für Marktstaaten vor, Säule 2 Regeln für eine Mindestbesteuerung.

Die Säule 1 (Marktstaatenbesteuerung) soll gemäss OECD/G20 über ein noch auszuarbeitendes multilaterales Abkommen implementiert werden. Der Bundesrat will erst nach Vorliegen des multilateralen Abkommens eruieren, ob die Schweiz diesem beitreten soll. Für den Fall, dass eine Ratifikation erfolgt, werden Konflikte mit bestehenden verfassungsrechtlichen Prinzipien erwartet, insbesondere mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit. Grund dafür ist, dass die Regeln von Säule 1 nur für grosse Unternehmensgruppen Anwendung finden sollen. Daher soll dem Bundesgesetzgeber bereits proaktiv mit einer Verfassungsänderung die Kompetenz gegeben werden, eine Regelung gemäss Säule 1 einzuführen, ohne den Entscheid über eine allfällige Umsetzung bereits vorwegzunehmen (siehe unten).

Die Säule 2 (Mindestbesteuerung), sog. GloBE-Regelung (Global Anti-Base Erosion), sieht für Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz von mindestens EUR 750 Mio. eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent (jeweils pro Staat) auf der Basis einer international vereinheitlichten Bemessungsgrundlage vor. In seiner Vernehmlassungsvorlage schlägt der Bundesrat nun im Wesentlichen Folgendes vor:

  • Sicherstellung der Mindestbesteuerung der betroffenen Unternehmensgruppen und Geschäftseinheiten mittels einer Ergänzungssteuer.
  • Zusätzliche Besteuerung in der Schweiz, wenn eine hier tätige Unternehmensgruppe die Mindestbesteuerung im Ausland nicht erreicht. Damit werden die zusätzlichen Steuereinnahmen der Schweiz statt anderen Staaten zufliessen. Gleichzeitig würden die hier ansässigen Unternehmen vor zusätzlichen Steuerverfahren im Ausland geschützt.
  • Bei der Ergänzungssteuer handelt es sich um eine neue, zusätzliche Bundessteuer. Sie ist beschränkt auf grosse Unternehmensgruppen, die in den Anwendungsbereich der neuen Regeln fallen. Die heutige Gewinnsteuer von Bund und Kantonen wird parallel dazu für alle Unternehmen unverändert weitergeführt.
  • Die Ergänzungssteuer soll von den Kantonen veranlagt und bezogen werden.
  • Verfügt eine Unternehmensgruppe über mehrere Einheiten in der Schweiz, werden diejenigen Geschäftseinheiten besteuert, die im Einzelfall die Unterschreitung der Mindestbesteuerung mitverursacht haben.

Angesichts der vielschichtigen Unsicherheiten des OECD-/G20-Projekts schlägt der Bundesrat ein etappenweises Vorgehen zur Einführung der voranstehenden Ansätze vor. In einem ersten Schritt soll eine neue Verfassungsnorm dem Bund die Kompetenz geben, das Projekt umzusetzen. Der Bundesrat soll sodann über eine Übergangsbestimmung inkl. rechtlich verbindlicher Eckwerte ermächtigt werden, die Mindestbesteuerung temporär auf dem Verordnungsweg zu regeln, um eine Inkraftsetzung auf den 1. Januar 2024 zu ermöglichen. Die Verordnung soll anschliessend durch ein Bundesgesetz abgelöst werden.

Die Medienmitteilung des Bundesrats sowie die entsprechenden Vernehmlassungsunterlagen sind hier abrufbar.