Auf ein Amtshilfeersuchen eines Staates kann nicht eingetreten werden, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt, insbesondere wenn es auf Informationen beruht, die durch nach schweizerischem Recht strafbare Handlungen erlangt worden sind, wie vorliegend durch Datendiebstahl.

Ein von der französischen Generaldirektion für öffentliche Finanzen im April 2014 gestützt auf Art. 28 des Abkommens zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (DBA CH-FR) gestelltes Amtshilfeersuchen an die Schweiz betrifft einen französischen Steuerpflichtigen und seine Ehefrau, die von den französischen Steuerbehörden verdächtigt wurden, bei einer Bank in der Schweiz ein nicht deklariertes Konto zu halten. Auf den Namen des Ehepaares waren die französischen Behörden in den Unterlagen gestossen, die Hervé Falciani bei der Genfer Filiale der Bank HSBC gestohlen hatte. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) bewilligte das Amtshilfeersuchen schlussverfügungsweise im Oktober 2014.

Das Bundesverwaltungsgericht hiess die dagegen erhobene Beschwerde der Betroffenen mit Urteil vom 22. Oktober 2015 (A-6849/2014) gut und hob den Entscheid der ESTV auf. Das Bundesverwaltungsgericht hielt hierbei fest, dass unter dem Anwendungsbereich von Art. 7 lit. c des Bundesgesetzes über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (StAhiG) die ESTV auf das französische Amtshilfeersuchen nicht hätte eintreten dürfen.

Das Bundesgericht bestätigt nun im vorliegenden und zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil vom 17. März 2017 (2C_1000/2015) die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts und weist die Beschwerde der ESTV ab. Im Gegensatz zum kürzlich gefällten Urteil vom 16. Februar 2017 (2C_893/2015), (vgl. unseren Beitrag vom 16. März 2017) liegt hier ein Anwendungsfall von Art. 7 lit. c StAhiG vor, wonach auf ein Amtshilfeersuchen nicht eingetreten werden darf, wenn sich dieses auf Informationen stützt, die durch Handlungen erlangt wurden, die nach schweizerischem Recht strafbar sind. Die strafbare Herkunft der „Falciani-Daten“ ist unbestritten, zumal Hervé Falciani vom Bundesstrafgericht im November 2015 rechtskräftig verurteilt wurde.

Sinn und Zweck von Art. 7 lit. c StAhiG ist die Konkretisierung des geltenden Prinzips von Treu und Glauben („principe de la bonne foi“) im internationalen öffentlichen Recht im Zusammenhang mit gestohlenen Daten (E. 6.2). Frankreich hat sich gegenüber der Schweiz verpflichtet, die „Falciani-Daten“ nicht dazu zu verwenden, um die Schweiz um Amtshilfe in Steuersachen zu ersuchen. Diese Zusage bindet Frankreich mit Blick auf das Prinzip von Treu und Glauben (E. 6.4 i.V.m. E. 6.5). Die Schweiz darf davon ausgehen, dass sie sich auch auf Amtshilfeersuchen erstreckt, die lediglich einen indirekten Zusammenhang mit den „Falciani-Daten“ aufweisen (E. 6.5).

Im vorliegenden Fall, so das Bundesgericht, ist erstellt, dass die französischen Steuerbehörden von der Identität der Steuerpflichtigen aufgrund der „Falciani-Daten“ erfahren haben, auch wenn das fragliche Bankkonto erst bei den Untersuchungsmassnahmen im Rahmen der anschliessend eröffneten Steuerprüfung entdeckt wurde. Vor diesem Hintergrund ist das Bundesverwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die ESTV auf das französische Amtshilfeersuchen nicht hätte eintreten dürfen, da das Ersuchen gemäss Art. 7 lit. c StAhiG unzulässig gewesen war.

Zum vorliegenden Entscheid hat das Bundesgericht am 5. April 2017 eine Medienmitteilung veröffentlicht. Zudem wurde in der NZZ vom 5. April 2017 ein Artikel sowie ein entsprechender Kommentar zm vorliegenden Entscheid publiziert.